#17 – Lars Wegner (2010)

Unverbundene “wenn”-Sätze in der deutschen Gegenwartssprache

Betrachtet man wenn-Konstruktionen des Typs wenn isch FRAU wär, isch würd im sommer NUR kleid tragen. oder wenn dir son ding gegen [(.)] gegens AUto: (.) knAllt, (-) das is schon ganz schön HEFtich und so., wie sie in der gesprochenen Sprache häufig vorzufinden sind, ist es nicht verwunderlich, dass sie von einem Großteil schriftsprachlich sozialisierter MuttersprachlerInnen als „ungrammatisch“ oder schlichtweg „falsch“ gedeutet werden; so würde man – wie diverse schriftsprachlich ausgerichtete Grammatiken propagieren – nach Abschluss des wenn-Satzes doch zunächst den Anschluss eines mit „dann“, „so“ oder einem finiten Verb eingeleiteten Folgesyntagmas erwarten (wie z. B. „Wenn ich Hunger habe, (dann/so) esse ich etwas.“). Statt der für das normierte Schriftdeutsch gewöhnlichen syntaktisch integrierten Anschlussstruktur an den wenn-Satz findet man hier, in Ausschnitten des gesprochenen Deutsch, Folgesyntagmen vor, welche die Verbstellung eines selbstständigen Hauptsatzes aufweisen.
Ziel der vorliegenden Magister- bzw. Staatsexamensarbeit ist es zu zeigen, dass derartige „unverbundene wenn-Konstruktionen“ (Günthner 1999) nicht etwa als versehentlich hervorgebrachte Produkte ihrer in grammatischer (bzw. syntaktischer) Hinsicht nur unzureichend gebildeten BenutzerInnen angesehen werden können; vielmehr wird deutlich, dass Interagierende diese ganz gezielt und bewusst einsetzen, und zwar als „Projektorkonstruktionen“ (Hopper 2005, 2006; Günthner 2006a, 2007b,c, 2008a,b), die als „Lösung [der] [] im Prozess der Interaktion sich gleichzeitig stellenden komplexen Aufgaben [fungieren]“ (Günthner 2008a: 109). Die Gliederung der Arbeit trägt der o.g. Zielsetzung Rechnung: Zunächst geht es in Kapitel 2 darum, die Sicht traditioneller, meist schriftbasierter Grammatiken einzuholen: Werden unverbundene bzw. nicht-integrierte wenn-Sätze in Anbetracht der geschriebensprachlichen Ausrichtung überhaupt erwähnt? Wenn ja, welche kommunikativen Funktionen werden mit ihrer Verwendung in Verbindung gebracht? In Kapitel 3 gilt es, einen Blick in die Forschungsliteratur fernab grammatischer Darstellungen zu werfen: Welchen Einblick gewährt sie in die Funktionsweise dieser häufig als „fehlerhaft“ gedeuteten syntaktischen Konstruktion? Auf Basis der in diesem Kapitel gewonnenen Erkenntnisse wird in Kapitel 4 eine genauere Eingrenzung bzw. Präzisierung der Fragestellung vorgenommen, die bestimmte, für die gesprochene Sprache charakteristische Aspekte der Zeitlichkeit – basierend auf Konzepten Auers („on line“-Syntax) und Hoppers („Emergent Grammar“) – systematisch zu berücksichtigen versucht. Der Grundstein für den in Kapitel 6 folgenden Hauptteil dieser Arbeit, der sich zum Ziel setzt, sich den aufgeworfenen Fragen in empirischer Hinsicht, d. h. auf Grundlage der Analyse realer Sprachdaten (informellen Face-to-Face-Interaktionen sowie medial vermittelten Kontexten (z. B. „Big Brother“, „Domian“ etc.) entspringend), zuzuwenden, wird mit einem knappen Methodenteil in Kapitel 5 gelegt. Dieser informiert über das herangezogene Datenkorpus und die Vorgehensweise bzw. Methodik bei der Analyse des sprachlichen Materials. Im Schlussteil dieser Arbeit, in Kapitel 7, werden die Analyseergebnisse der Untersuchung zusammengefasst, die Erkenntnisse der Untersuchung in einen größeren Forschungszusammenhang eingeordnet, und es wird ein kurzer Ausblick auf ein Aufgabengebiet gegeben, welches für die zukünftige Forschung eine bedeutsame Rolle spielen könnte.

(Schlüsselwörter: wenn-Konstruktion(en), Emergent Grammar, „on line“-Syntax, Projektion(en), Projektorkonstruktion(en))