Sprache und Identität im Kontext der Migration schlesischer Aussiedler nach Deutschland
Eine Migration bringt für die meisten MigrantInnen die – freiwillige oder unfeiwillige – Auseinandersetzung mit einer neuen Sprache mit sich. Da die Sprache einen sehr wichtigen Faktor für den Aufbau der sozialen Identität darstellt, werden die MigrantInnen vor große Herausforderungen gestellt, wenn sie sich im Zielland mit einer neuen Sprache konfrontiert sehen und prüfen müssen, wie sie diese neue Sprache und damit die Möglichkeit der eigenen Mehrsprachigkeit für ihre soziale Identität verarbeiten können. In manchen Fällen wird diese Mehrsprachigkeit als identitätsstiftend, in anderen Fällen dagegen als identitätsbedrohend empfunden.
Da die meisten AussiedlerInnen die deutsche Sprache wie andere MigrantInnen auch im Erwachsenenalter als Fremdsprache erlernen müssen, wird auch für sie der Umgang mit dieser migrationsbedingten Mehrsprachigkeit zu einem wichtigen Thema und es stellt sich die Frage: Wie gehen die AussiedlerInnen damit um, dass sie als Deutsche die deutsche Sprache nicht auf muttersprachlichem Niveau beherrschen, sondern als mehrsprachige Individuen Deutsch erst als Zweit- oder Drittsprache erlernt haben? Gerade in Fällen der Aussiedlermigration, in der der wie selbstverständlich angenommene Zusammenhang zwischen Sprache und Nationalität oft nicht gegeben ist, stellt sich die Frage, wie die Vorstellungen der sozialen Identität und das Verhältnis zur Mehrsprachigkeit miteinander zusammenhängen. Ist es den AussiedlerInnen möglich, sich als Deutsche zu identifizieren und gleichzeitig ein positives Verhältnis zu ihrer Mehrsprachigkeit zu haben, die sich eben darin niederschlägt, dass die deutsche Sprache nicht auf muttersprachlichem Niveau beherrscht, sondern mit einem fremdländischen Akzent gesprochen wird? Oder ist ein positives Verhältnis zur Mehrsprachigkeit, ein gelassener Umgang mit ihren Auswirkungen auf die deutsche Sprache nur dann möglich, wenn man seinen mehrkulturellen Hintergrund für seine soziale Identität verarbeitet hat und sich nicht nur als Deutsche/r, sondern als bi- oder plurikulturelle Person identifiziert?
Um diese Zusammenhänge zu untersuchen, werden in dieser Arbeit drei narrative Interviews von je 20-30 Minuten Länge analysiert. Die Interviewten sind Aussiedlerinnen aus Oberschlesien, die zwischen 1979 und 1989 im Alter von 22 bis 35 Jahren nach Deutschland immigriert sind. Die Analyse der Interviews erfolgt mit Mitteln der linguistischen Narrationsanalyse. Eine besondere Rolle kommt dabei der Positionierungsanalyse zu.
Schlüsselworte: Mehrsprachigkeit, Identität, Narrationsanalyse.