Der Newsgroup-Beitrag – eine kommunikative Gattung?
Die Ergebnisse bisheriger soziolinguistischer Untersuchungen der Kommunikationsprozesse im Usenet lassen darauf schließen, dass die Interaktion in Newsgroups Besonderheiten aufweist, die in ihrer spezifischen Kombination ein kommunikatives Format konstituieren, das sich trotz einiger Überschneidungen gegenüber verwandten netzbasierten Medien, wie Chat oder E-Mail, klar abgrenzen lässt und deutliche Verfestigungstendenzen aufweist. Ausgehend von dieser Annahme wird Thomas Luckmanns, von Günthner und Knoblauch erweitertes und für die Analyse gesprochener Sprache modifiziertes Konzept kommunikativer Gattungen als theoretischer Rahmen für eine Analyse deutschsprachiger Usenet-Beiträge herangezogen. Zu klären ist die Frage, ob das formale, inhaltliche und stilistische Format der untersuchten Newsgroup-Artikel aus zwei Gruppen der de.-Hierarchie (bereits) soweit verfestigt ist, dass es als kommunikative Gattung, als „historisch und kulturell spezifische, gesellschaftlich verfestigte und formalisierte Lösung[…] kommunikativer Probleme betrachtet [werden kann], deren Funktion in der Bewältigung, Vermittlung und Tradierung intersubjektiver Erfahrungen der Lebenswelt besteht.“ (Luckmann 1988: 283)
Tatsächlich zeigt die vorliegende Gattungsanalyse, bei der neben textinternen Merkmalen auch soziokulturelle Aspekte des Mediums sowie der „interaktive[…] Kontext des dialogischen Austauschs“ (Günthner 1995: 203) Berücksichtigung finden, dass dies innerhalb der untersuchten News-Hierarchien in hohem Maße der Fall ist. Bedingt wird dieses Ergebnis zum einen durch die über zwanzigjährige Tradition des Usenets in Verbindung mit einer Anwenderklientel, die das Medium meist über einen langen Zeitraum nutzt. Zum anderen stellt die spontane oder institutionalisierte autoreflexive Metakommunikation, die vorwiegend in administrativen Newsgroups mit teils normativer Funktion stattfindet, einen erheblichen gattungsstabilisierenden Faktor dar.