Zum historischen Wandel der Textsorte Todesanzeige
Die Textsorte “Todesanzeige” ist uns als Anzeigentypus der Zeitung wohl vertraut und (meist) als solche auch auf den ersten Blick erkennbar. In den vergangenen Jahren zeichnet sich allerdings die Entwicklung ab, dass die “typische” graphische Gestaltung sowie auch die bisher charakteristischen inhaltlichen Merkmale keine Obligatorik dieser Textsorte mehr bilden, sondern vielmehr eine größere Vielfalt bei der Produktion von Todesanzeigen herrscht. Dass sich Texte bzw. Textsorten im Verlauf von 150 Jahren in ihren Ausprägungen, in ihren Formulierungsweisen und Schablonen verändern und somit einem Wandel unterworfen sind, dass sie dabei kulturell bedingt sind und somit nichts Starres und Unveränderliches darstellen, will die folgende Arbeit zeigen. Insbesondere Todesanzeigen als “Spiegel eines kulturellen Todesverständnisses” eignen sich dazu, aufzuzeigen, dass Textsorten zwar auf der einen Seite eine relativ stabile Erscheinung sind, auf der anderen Seite aber zeitlich unbeständig und nicht unabänderlich in ihrer formalen Ausprägung sind. Auf der Grundlage von 257 privaten Todesanzeigen der Jahre 1849 bis 2005 die in den Münsteraner Zeitungen “Westfälischer Merkur” und “Westfälische Nachrichten” veröffentlicht wurden, soll aufgezeigt werden, dass es heute bei der Produktion von Todesanzeigen immer weniger Restriktionen zu geben scheint, der individuellen Gestaltung kaum noch Grenzen gesetzt werden und gegenwärtig in den meisten Fällen vielmehr von einer “Traueranzeige” als Ausdruck der Trauer (der Hinterbliebenen) als von einer “Todesanzeige”, die den Todesfall einer Person anzeigt, die Rede sein kann. Zudem wird thematisiert, dass sich diese Entwicklung auch abseits des Mediums Zeitung, nämlich in speziellen Internetforen nachzeichnen lässt, die als Besonderheit eine neue mediale Form des Umgangs mit Trauer darstellen und dabei beispielsweise auf Versatzstücke der chat-Kommunikation (Inflektivformen etc.) zurückgreifen.