„sonst- (-) bin ich kein richtiger CHRIST,“:
Positionierungen durch Membership Categories in narrativen Interviews mit evangelikal-konservativen, homosexuellen ChristInnen
Homosexualität wird in evangelikal-konservativen Gemeinden, die sich an einer besonders strengen Bibelauslegung orientieren und nicht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) unterstehen, als widernatürlich, als nicht gottgewollt und deshalb als Sünde betrachtet (vgl. Guske 2014: 120f.). Die dort propagierte Inkompatibilität zwischen christlichem Glauben und Homosexualität birgt ein immenses Konfliktpotential für ChristInnen, die von der in solchen Kreisen vorherrschenden theologischen Meinung geprägt sind, jedoch allmählich feststellen, dass sie selbst homosexuell empfinden: Zugehörigkeit muss dann neu bestimmt, Eigen- und Fremdbilder müssen überdacht und Auffassungen von Gut und Böse hinterfragt werden (vgl. Hinck 2012: 11ff.).
Vor diesem Hintergrund betrachtet die vorliegende Arbeit die Positionierungen von schwul-lesbischen, evangelikal-konservativ geprägten ChristInnen, die im Rahmen narrativer Interviews ihre Lebensgeschichte erzählen. Auf Basis einer interaktiv ausgerichteten Membership Categorization Analysis (vgl. u.a. Stokoe 2012) wird danach gefragt, welche Kategorien die Interviewten im Themenfeld Glaube/Kirche und Sexualität eröffnen und welche Selbst- und Fremdpositionierungen sie mit der Verwendung dieser Kategorien vornehmen. Ferner eruiert die Arbeit, wie die SprecherInnen die einzelnen Kategorien bewerten und sich selbst dadurch als Mitglieder der besser evaluierten Kategorien positionieren. Zuletzt besteht das Erkenntnisinteresse in Anlehnung an das Homonormativitätskonzept der Queer Linguistik (vgl. Motschenbacher/Stegu 2013: 524) auch darin, herauszuarbeiten, welche ‚Homonormen‘ etabliert, d. h. welche Formen von Homosexualität als moralisch erhaben dargestellt werden.
Hierbei wird deutlich, dass die Interviewten Kategorien als systematische Ressource für Selbst- und Fremdpositionierungen einsetzen und dadurch situativ Normen für ein moralisch angemessenes, verantwortungsvolles Leben als homosexuelle ChristInnen etablieren. Ferner zeigt sich, wie die InterviewpartnerInnen mittels der durch Kategorisierungsprozesse vollzogenen Positionierungsaktivitäten ihre eigene moralische Überlegenheit demonstrieren und gleichzeitig die Mitglieder anderer Kategorien abwerten.
Schlagworte: Positionierung; Membership Categorization Analysis; Homonormativität; Narratives Interview; doing identity; Gesprächsanalyse