#26 – Nathalie Bauer (2016)

Onymische Anredeformen in computervermittelter Kommunikation – zur vokativen Verwendung von Rufnamen in WhatsApp-Interaktionen

Während zum interaktionalen Gebrauch nominaler Anredeformen in der Face-to-face-Interaktion bereits einzelne empirische Untersuchungen vorliegen (Günthner i.Dr.; Clayman 2012, 2013; Butler et al. 2011; Rendle-Short 2007, 2010; Norrick/Bubel 2009; Lerner 2003; Schwitalla 1995, 2010), ist der vokative Gebrauch von Namen in der computervermittelten Kommunikation bislang – außerhalb von Begrüßungs- und Verabschiedungssequenzen (Günthner/Zhu 2016; de Oliveira 2013; Schmidt/Androutsopoulos 2004) sowie zur direkten Adressierung in computervermittelten Mehrparteieninteraktionen wie beispielsweise dem Chat (Anglemark 2006; Runkehl et al. 1998) – nicht näher systematisch betrachtet worden. Hier setzt das zentrale Erkenntnisinteresse der vorliegenden Analyse an, die die Gebrauchskontexte, sequenziellen Einbettungen und Funktionen onymischer Anredeformen in computervermittelten Interaktionen außerhalb von gesprächsrahmenden Aktivitäten und einfachen Adressierungen, beispielsweise zur Disambiguierung von Redezuweisung, fokussiert.
Obschon onymische Anredeformen in Form von Rufnamen (Nübling et al. 2012: 108) aufgrund ihrer syntaktischen Optionalität als vokative Nominalphrasen oftmals – wie Sonnenhauser/Noel Aziz Hanna (2013: 16) es zusammenfassend konstatieren – als „mere ad hoc devices“ betrachtet werden, zeigt die vorliegende Untersuchung, dass die Verwendung onymischer Anredeformen in der Interaktion vielmehr einer gewissen Methodik im Sinne einer systematischen Positionierung zur Erfüllung bestimmter kommunikativer Funktionen unterliegt. In dieser Arbeit wird die interaktionale Funktion vokativ gebrauchter Rufnamen mithin nicht allein unter Berücksichtigung ihrer sequenziellen, sondern auch der turninternen bzw. syntaktischen Positionierung untersucht.

#25 [SABA #5] – Silvia Vogelsang (2016)

Beendigungen von Phone-In-Gesprächen

In Radio und Fernsehen hat sich in den letzten Jahrzehnten ein Format etabliert, das die üblicherweise passive Zuhörerschaft aktiv in das öffentliche Sendegeschehen mit einbringt. Es handelt sich um das Phone-In, im Rahmen dessen Zuhörer mit dem Moderator einer Sendung telefonieren können. Das Gespräch wird live im Radio bzw. Fernsehen übertragen. Das Thema eines solchen Gesprächs ist je nach Sendeformat entweder vorgegeben oder kann vom Anrufer frei gewählt werden. Den Phone-In-Gesprächen liegt eine besondere Situation zugrunde: Die Interagierenden sind sich während des Gesprächs darüber bewusst, dass oftmals tausende Menschen zuhören. Da eine Phone-In-Sendung auch einen Unterhaltungscharakter haben soll, ist davon auszugehen, dass der Moderator darauf abzielt, das Gespräch konstant interessant zu halten. Außerdem unterliegt eine Phone-In-Sendung oft strikten Zeitvorgaben. Es ist zu erwarten, dass diese besondere Gesprächssituation sich auf die Gespräche auswirkt.
Inwiefern die Gesprächssituation die Realisierungsweise von Phone-In-Gesprächen beeinflusst, soll in dieser Arbeit am Beispiel der Gesprächsbeendigungen untersucht werden. Hierbei wird gesprächsanalytisch vorgegangen. In der bisherigen Forschung wurden die Beendigungen von Privatgesprächen – im Gegensatz zu Beendigungen öffentlicher Gespräche – bereits in großem Umfang analysiert. Die vorliegende Arbeit setzt sich nun zum Ziel, herauszuarbeiten, durch welche strukturellen Merkmale sich die Beendigungen von Phone-In-Gesprächen auszeichnen und worin Unterschiede zu den typischen Beendigungsschemata privater Gespräche liegen. Ein besonderes Augenmerk wird darauf gelegt, welche Strategien genutzt werden, um die Beendigung einzuleiten und voranzutreiben. Es soll außerdem herausgestellt werden, inwiefern sich die Rahmenbedingungen des Phone-In-Formats auf die Gestaltung der Beendigungen auswirken. Auf diese Weise kann geklärt werden, wodurch es zum einen ermöglicht und zum anderen gerechtfertigt wird, dass die Beendigungen von Phone-In-Gesprächen sich von den präferierten Beendigungsschemata privater Gespräche unterscheiden.

#24 – Elisa Wessels (2016)

Von ‚Narrativer Identität‘ zur Positionierung in der Interaktion. Selbst- und Fremdpositionierungen durch Redeinszenierung im narrativen Interview mit demenzkranken Menschen

Im Zuge des sogenannten Narrative Turn (Bruner 1990) der Diskurspsychologie und der Soziolinguistik in den 1990er Jahre wurden autobiografische Erzählungen, Erzählungen von Selbsterlebtem, life stories oder auch self-narrations zu einem zentralen Zugang zu subjektiven Selbstherstellungsprozessen erklärt. Damit wurde ein Verständnis für die Besonderheit der Narrativität als sprachliche Handlung zur Identitätskonstruktion geschaffen.

Die vorliegende Arbeit reiht sich in diese Forschungstradition ein, fokussiert jedoch die empirische Erforschung von authentischem und gesprochen-sprachlichem Datenmaterial. Dabei ist das Ziel, die theoretische Idee einer „Narrativen Identität“ aus einer gesprächsanalytischen Perspektive zu verstehen und zu konkretisieren. Grundlegende Forschungsfrage ist, wie Interagierende die kommunikative Aktivität der Redeinszenierung für Positionierungszwecke nutzen und auf diese Art und Weise narrative Identität herstellen. Die Analyse orientiert sich an gesprächsanalytischen Methoden und Konzepten von Redeinszenierung (Günthner 1999, 2000a, 2002) und Positionierung (Bamberg 1997a; Lucius-Hoene / Deppermann 2004a, b). Der Forschungsfrage wird anhand von vier narrativen Interviews nachgegangen, in denen Frauen mit einer Demenzdiagnose in einem frühen Stadium dazu aufgefordert werden, aus ihrem Leben zu erzählen. In Anlehnung an prominente Beobachtungen der Sozialpsychologie (Kitwood 1998; Sabat 1991, 1994, 2001) wird eine Analysehaltung entworfen, die einen kontext-sensitiven Umgang mit Gesprächsdaten von Demenzerkrankten ermöglicht.

In diesem Sinne zeigt sich der Wert der vorliegenden Studie in zwei Aspekten: zum einen hinsichtlich der Erforschung von Formen und Funktionen kommunikativer Praktiken zur Identitätskonstruktion und zum anderen hinsichtlich einer Sensibilisierung der Linguistik für die empirische Erforschung von Gesprächsdaten dementer Menschen.

(Keywords: Narrative Identität, Positionierung, Redeinszenierung, Gesprächsanalyse, narratives Interview, Sprache & Demenz)